Was kann ich verstehen? | REPTILIENHIRN – DENKHIRN

    Das Reptilienhirn ist ein sehr alter Teil unseres Gehirns und reagiert entweder mit Kampf oder Flucht, sobald wir uns in Gefahr befinden oder wenn wir wütend sind – und das ist relativ häufig der Fall. Des Weiteren gibt es eine Ansammlung von Gehirnstrukturen, die man als limbisches System bezeichnet, dort sitzen unsere Gefühle. Wenn wir zum Beispiel Freude empfinden, dann nur weil eine elektrische Stimulierung in diesem limbischen System stattfindet. Darüber wölbt sich das Großhirn (Denkhirn), in dem die analytischen Prozesse stattfinden. Da das Ganze eine Kooperation ist, passiert in beiden Systemen etwas, wenn wir Freude empfinden. Wenn wir allerdings unangenehme Gefühle erleben, dann werden die oberen Teile im Gehirn blockiert und unser Reptilienhirn übernimmt. Um aus einer bedrohlichen Situation herauszukommen (Notsituation) ist es notwendig, schnell zu reagieren und nicht akribisch zu denken. Der Mensch der Frühzeit war gefährdet, wenn ihm z.B. ein Berglöwe begegnete, heute fühlen wir uns gefährdet, wenn jemand ein Blatt Papier nimmt, auf das wir etwas geschrieben haben, und es zerreißt.

    Wenn wir also in Gefahr sind oder Unlust (Frust, Ärger, Angst, Nervosität, Hemmungen, Zeitdruck, etc.) empfinden, reagiert das Reptilienhirn mit Kampf oder Flucht und im limbischen System ergibt sich eine Stimulierung im Unlust-Areal und wir werden wütend (psychologische Ebene).

    Auf biologischer Ebene lösen das Reptilienhirn und das limbische System gemeinsam gewisse Prozesse aus, die zu Stresshormonen führen. Einige wenige in unserem Blutkreislauf sind nicht weiter schlimm, denn wir brauchen regelmäßig ein paar Stresshormone, um unseren Organismus am Laufen zu halten. Bei Erreichen der ersten kritischen Marke fallen wir allerdings in den sogenannten psychologischen Nebel hinein. Dieser lässt Teile des Denkhirns nicht mehr arbeiten, es kommt zu Denkblockaden. Da diese Menge bereits Disstress bedeutet, ergibt sich eine Rückmeldung an das limbische System; dieses erlebt den Moment weiterhin als biologische Gefahrensituation und schüttet weitere Unlust-Gefühle aus. Aus diesem Grund kommen wir oft stundenlang aus einer Ärger-Situation nicht mehr heraus. Wenn ein schiefer Blick reicht, um uns in den psychologischen Nebel zu schicken, dann bedeutet das, dass wir gerade knapp unter der ersten Stress-Marke lagen. Mit Menschen, die chronisch aus dem Reptilienhirn heraus reagieren, ist es unmöglich, vernünftig zu reden, da diese uns nicht vernehmen. Ihr analytischer Verstand ist (teilweise) blockiert, sie können nicht aufnehmen, was wir ihnen sagen wollen.

    In der Kommunikationstheorie spricht man von zwei Kommunikationsebenen: der Inhaltsebene und der Beziehungsebene. Wenn letztere positiv oder sachlich rational belegt ist, dann ist der Kopf frei für den Inhalt. Wenn allerdings unangenehme Dinge entweder bereits vor der Kommunikation anwesend waren oder während dieser auftauchen (Unlustgefühle z.B. durch Bemerkungen), dann wallt der psychologische Nebel auf und der Inhalt wird zu großen Teilen geschluckt.

    Klares Kampfsignal: „Du Idiot“
    Indirektes Kampfsignal: „Jetzt sei doch vernünftig“

    Impliziert: Du bist nicht vernünftig, solange du meine Meinung nicht einsiehst (Inhaltsebene) und ich akzeptiere dich solange nicht, bis du meinen Standpunkt einnimmst (Beziehungsebene).

    Wenn wir zum Beispiel regelmäßig mit einem Familienmitglied über dieselben Dinge reden und sich das Verhalten immer wieder wiederholt, handelt es sich ziemlich sicher um ein indirektes Fluchtsignal (Zugeständnisse, die man unter Druck macht und hinterher nicht einhält). Im Druck der Tadel-Situation wird sie alles versprechen (indirektes Fluchtmanöver) – diejenige befindet sich im Reptilienhirn, fühlt sich unwohl und will der Situation entfliehen. Allerdings fehlt der Mut zur offiziellen Flucht (aus dem Zimmer gehen). All dies passiert unbewusst – sie sagt nicht bewusst das eine und tut das andere (lügen).

    Wenn wir zu viel Kampfhormone im System haben, wird die Welt sehr negativ: wir sind umgeben von dummen, demotivierten Menschen, die uns Böses wollen.

    Außerdem verändert sich subjektiv die Zeit: je gestresster wir sind, desto länger dauert die Situation, die uns stresst, subjektiv für uns (Auf- und Zugehen der Lifttür, wenn man unter Zeitdruck ist). Einen dritten Aspekt stellen die Denkblockaden dar. Durch diese und durch die Tatsache, dass Stress Kraft kostet, haben wir zu wenig Kraft/Energie für die eigentliche „Arbeit“ übrig – wir sind wahnsinnig unter Zeitdruck, wahnsinnig beschäftigt – der totale Stress.

    Kinder dagegen haben wenig Stresshormone im System (vor allem bevor sie zur Schule gehen), sie leben in einer aufregenden, faszinierenden Welt und der normale Erwachsene scheint auf einem anderen Planeten zu wohnen.

    Bei positivem Stress ist es umgekehrt: wir sehen die Welt durch die rosarote Brille. Wie wir die Welt sehen, liegt also an uns und nicht an der Welt – wir schaffen uns unsere Wirklichkeit selbst.

     

     

    Birkenbihl, Vera Felicitas: Youtube: Wie funktioniert Dein Kopf?, Best of Birkenbihl 2
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